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Die doppelte Wesentlichkeit - einfach erklärt

Entdecken Sie, was die "Doppelte Wesentlichkeit" bedeutet, warum es für Unternehmen relevant ist und wie eine Wesentlichkeitsmatrix dabei helfen kann.
Beitrags-Autor:
Denny Farkas
Umsetzung:
Veröffentlicht:
2.7.2024

Nachhaltigkeit steht zunehmend im Fokus, besonders unter dem Druck, das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Die EU hat hierfür unter anderem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie die EU-Taxonomie eingeführt, die Unternehmen zur Erstellung jährlicher Nachhaltigkeitsberichte verpflichten. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Unternehmen stärker in die Verantwortung zu ziehen und das Konzept der "Doppelten Wesentlichkeit" zu etablieren.

Was ist "Doppelte Wesentlichkeit"?

Dieses Konzept beinhaltet zwei Perspektiven der Wesentlichkeit im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung:

1. Außenwesentlichkeit (Inside-Out): Betrachtet die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Umwelt und Gesellschaft. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen durch seinen Wasserbedarf in Dürregebieten zur Wasserknappheit beitragen. Durch nachhaltigere Wassernutzungspraktiken können solche negativen Effekte minimiert werden.

Beispiele der Außenwesentlichkeit anhand von Coca-Cola
  • Umweltauswirkungen: Coca-Cola nutzt für seine Produktionsprozesse in verschiedenen Teilen der Welt beträchtliche Wassermengen. Unsachgemäßer Umgang mit dieser Ressource könnte in einigen Regionen zu einer Verknappung führen, was ein Beispiel für negative Außenwesentlichkeit darstellt. Coca-Cola könnte dieser Herausforderung durch die Einführung von Maßnahmen zur Wasseraufbereitung und Wiederverwendung entgegenwirken.
  • Soziale Auswirkungen: Angenommen, Coca-Cola beschäftigt Mitarbeiter unter suboptimalen Bedingungen in einem bestimmten Land. Dies könnte nicht nur negative Auswirkungen auf die Arbeiter selbst haben, sondern auch öffentliche Kritik und Boykottaufrufe nach sich ziehen. Um diese sozialen Folgen zu mindern, könnte Coca-Cola in faire Arbeitspraktiken und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren.
  • Wirtschaftliche Auswirkungen: Coca-Cola fördert in vielen Ländern die lokale Wirtschaft, indem es beispielsweise Zutaten wie Zucker oder Früchte von lokalen Lieferanten und Kleinbauern bezieht. Indem das Unternehmen faire Preise zahlt und in nachhaltige Anbaumethoden investiert, kann es positive wirtschaftliche Effekte für diese Gemeinschaften erzielen.

2. Innenwesentlichkeit (Outside-In): Fokussiert auf die Auswirkungen von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) auf die wirtschaftliche Leistung des Unternehmens. Beispielsweise könnten hohe Wasserpreise in wasserarmen Regionen die Produktionskosten eines Unternehmens steigern. Durch Investitionen in wassersparende Technologien können diese Risiken gemildert werden.

Beispiele der Außenwesentlichkeit anhand von Coca-Cola
  • Umweltrisiken: Coca-Cola ist in hohem Maße von Wasser abhängig, welches als Hauptbestandteil seiner Produkte dient. In Gebieten, in denen Wassermangel herrscht, könnte dies zu steigenden Produktionskosten oder sogar zu Produktionsstillständen führen. Durch die Implementierung eines effektiven Wassermanagements und die Investition in Technologien zur Wassereinsparung könnte Coca-Cola diese Risiken minimieren und seine Produktionseffizienz langfristig sichern.
  • Governance-Chancen: Coca-Cola könnte durch eine offene Kommunikation über Inhaltsstoffe, Nährwertangaben und Geschäftspraktiken das Vertrauen der Verbraucher stärken. Diese Transparenz könnte die Kundentreue verbessern und letztlich zu einem Anstieg der Verkaufszahlen führen.
  • Soziale Risiken: Coca-Cola, bekannt für seine globalen Marketingstrategien, könnte durch eine kulturell unsensible Werbekampagne Imageverluste erleiden, die sich negativ auf Verkaufszahlen und Aktienwerte auswirken könnten. Durch die Förderung von Vielfalt und Inklusion könnte das Unternehmen jedoch innovativere und ansprechendere Marketinginitiativen entwickeln, die eine breitere Zielgruppe erreichen und positiv zum Unternehmensimage beitragen.

Die Konzentration auf die Innenwesentlichkeit im Rahmen der „Doppelten Wesentlichkeit“ befähigt Firmen wie Coca-Cola dazu, interne Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren und entsprechend zu handeln.

Doppelte Wesentlichkeit: Definition der Wesentlichkeit

Der Ausdruck „Doppelte Wesentlichkeit“ impliziert, dass es bei der Analyse sowohl der Innen- als auch der Außenperspektiven vor allem um wesentliche Faktoren geht.

Laut den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wird die Wesentlichkeit wie folgt definiert:

Außenwesentlichkeit (Impact Materiality):
Ein Nachhaltigkeitsfaktor gilt als wesentlich in Bezug auf den Impact, wenn er signifikante tatsächliche oder potenzielle, positive oder negative Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch oder Umwelt hat, sei es kurz-, mittel- oder langfristig. Wesentliche Aspekte beinhalten dabei sowohl die direkten Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten als auch jene, die durch die Geschäftstätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen über die Geschäftsbeziehungen entstehen, einschließlich der gesamten Wertschöpfungskette.
Innenwesentlichkeit (Financial Materiality):
Ein Nachhaltigkeitsaspekt ist finanziell wesentlich, wenn er merkliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben kann, einschließlich Auswirkungen auf Cashflows, die finanzielle Situation oder die Ertragslage, unabhängig davon, ob kurz-, mittel- oder langfristig.

Mithilfe einer Wesentlichkeitsanalyse lässt sich feststellen, ob ein Aspekt aus finanzieller Sicht (Outside-In) oder aufgrund seiner Auswirkungen (Inside-Out) als wesentlich für das Unternehmen eingestuft wird.

Wann und wieso ist die "Doppelte Wesentlichkeit" relevant?

Die "Doppelte Wesentlichkeit" (double materiality) ist entscheidend für Unternehmen, die nach den CSR-Richtlinien der EU verpflichtet sind, Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen. Dieses Konzept ermöglicht es Unternehmen, sowohl die internen als auch die externen Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit zu verstehen und zu managen, indem es ihnen hilft, wichtige Risiken und Chancen zu erkennen.

Hier sind einige Szenarien, in denen die "Doppelte Wesentlichkeit" (double materiality) von besonderer Bedeutung ist:

1. Strategische Planung: Die Integration von Innen- und Außenwesentlichkeit in die Unternehmensstrategie hilft bei der Identifikation und Nutzung von umweltbezogenen, sozialen und Governance-Chancen sowie der Minimierung entsprechender Risiken.

2. Investorenbeziehungen: In einem Markt, der zunehmend Wert auf nachhaltige Finanzen legt, verbessert ein proaktiver Ansatz in Bezug auf die Doppelte Materialität die Attraktivität eines Unternehmens für Investoren, die ESG-Kriterien in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.

3. Risikomanagement: Durch die Berücksichtigung der Auswirkungen von Umweltkrisen oder sozialen Unruhen kann ein Unternehmen besser vorbereitet sein und effektive Gegenmaßnahmen entwickeln.

4. Reputation und Markenwert: In einer zunehmend werteorientierten Verbraucherwelt kann die Beachtung von ESG-Faktoren das Markenimage stärken und den Verbrauchervertrauen erhöhen.

5. Stakeholder-Engagement: Eine effektive Kommunikation und Interaktion mit allen Interessengruppen, einschließlich Mitarbeitern, Kunden und der breiteren Gemeinschaft, wird durch die Berücksichtigung von ESG-Themen optimiert.

Was ist eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse?

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hilft einem Unternehmen, die relevanten ESG-Themen sowohl aus der Innen- als auch aus der Außenperspektive zu bewerten und Prioritäten zu setzen. Dies fördert nicht nur nachhaltigere Geschäftspraktiken, sondern unterstützt auch langfristige unternehmerische und soziale Ziele.

Was ist eine Wesentlichkeitsmatrix?

Ein Tool, das Unternehmen verwenden, um die Ergebnisse ihrer Doppelten Wesentlichkeitsanalyse zu visualisieren. Diese Matrix zeigt auf einer vertikalen Achse die Bedeutung von ESG-Themen für externe Stakeholder und auf einer horizontalen Achse die Bedeutung für das Unternehmen selbst. Dadurch wird erkennbar, welche Themen für beide Gruppen von hoher Priorität sind, was die strategische Planung und Kommunikation erleichtert.

Diese Matrix ist typischerweise zweidimensional aufgebaut:

  • Vertikale Achse (y-Achse): Diese Achse zeigt, wie wichtig ein bestimmtes ESG-Thema für externe Stakeholder wie Kunden, Investoren, NGOs oder die lokale Gemeinschaft ist. Themen, die für diese Gruppen von hoher Bedeutung sind, werden in der Matrix weiter nach rechts eingeordnet.
  • Horizontale Achse (x-Achse): Auf dieser Achse wird die Bedeutung der ESG-Themen für das Unternehmen selbst dargestellt. Dies kann finanzielle Auswirkungen, betriebliche Risiken, das Markenimage oder andere interne Faktoren umfassen. Themen, die für das Unternehmen von besonderer Wichtigkeit sind, werden weiter nach oben in der Matrix positioniert.

Die Implementierung einer Wesentlichkeitsmatrix und die Durchführung regelmäßiger Doppelte Wesentlichkeitsanalysen sind essentiell für Unternehmen, die sich an den sich ständig ändernden Erwartungen der Gesellschaft und des Marktes orientieren wollen.

Hier ein Beispiel für eine Wesentlichkeitsmatrix:

Quelle: www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de

Die Positionierung von ESG-Themen in der Wesentlichkeitsmatrix ermöglicht es Unternehmen, schnell zu erkennen:

1. Themen, die sowohl für das Unternehmen als auch für externe Stakeholder wichtig sind, werden üblicherweise im oberen rechten Quadranten angezeigt.
2. Themen, die hauptsächlich für externe Stakeholder von Bedeutung sind, jedoch weniger direkte Auswirkungen auf das Unternehmen haben, befinden sich im linken oberen Quadranten.
3. Themen, die vorrangig interne Bedeutung für das Unternehmen haben, aber von externen Stakeholdern als weniger kritisch angesehen werden, werden im rechten unteren Quadranten platziert.

Die Wesentlichkeitsmatrix erleichtert Unternehmen die Visualisierung und Priorisierung von ESG-Themen in ihrer Strategie, Berichterstattung und Kommunikation. Sie gewährleistet, dass Unternehmen jene Themen adressieren, die sowohl für ihr Geschäft als auch für ihre Stakeholder von größter Bedeutung sind, was in einer Zeit zunehmender Erwartungen an unternehmerische Verantwortung und Transparenz besonders wertvoll ist.

Fazit zur Doppelten Wesentlichkeit (CSRD):

Doppelte Wesentlichkeit ist mehr als nur ein moderner Begriff; es ist ein kritischer Ansatz, der Unternehmen hilft, ihre Geschäftsstrategien sowohl verantwortungsbewusst als auch zukunftsfähig zu gestalten. Durch die Auseinandersetzung mit der Doppelten Wesentlichkeit kann ein Unternehmen sicherstellen, dass es sowohl ethisch als auch finanziell auf dem richtigen Weg ist. Weiterhin trägt ein engagierter Ansatz zur doppelten Materialität durch verbindliche Nachhaltigkeitsberichte dazu bei, nachhaltigere und gerechtere Geschäftspraktiken weltweit zu fördern.

Denny Farkas
CEO Blue Ocean GmbH
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